Juni 2020

10 Monate im Sozialbereich

ein persönlicher FSJ-Erfahrungsbericht

Reka Seitz (19) studiert Rechtswissenschaft

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie rücken all jene ins allgemeine Bewusstsein, die tagtäglich mit ihrer Arbeit Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen unterstützen. Dahinter steht ein viel größeres Feld sozialer Berufe: Seien es Rettungsdienst oder Kindergarten, Unterbringung oder Pflegeheim, Deutschkursinstitut oder Sozialberatung… In diesen und etlichen weiteren Bereichen arbeiten viele Menschen und erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Ein Freiwilliges Sozialjahr, kurz „FSJ“, erlaubt jungen Erwachsenen Einblicke in diese Arbeitsfelder und gibt ihnen die Chance, selbst mitzuhelfen.

Grundlegendes

Ein Freiwilliges Sozialjahr bietet eine Vielzahl an Gelegenheiten, Wissen und Fähigkeiten zu erwerben und gleichzeitig die eigenen Stärken einzubringen. Neben der Arbeit selbst gehören Fortbildungen und Besprechungen ebenso dazu wie die Zusammenarbeit mit dem Team der jeweiligen Einrichtung. Dabei sind die Einsatzbereiche sehr vielfältig: Betreuung von Kindern, Hilfe bei der Pflege alter Menschen, Unterstützung im Rettungsdienst oder Arbeit mit Geflüchteten – um nur einige Beispiele zu nennen. Dementsprechend gibt es viele Anbieter, die Grundlage für ein FSJ ist allerdings österreichweit dieselbe: Die Arbeitszeit beträgt 34 Wochenstunden, wobei Fortbildungen und Reflexionsgespräche schon miteinbezogen sind. Freiwillige erhalten Taschengeld, eine Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung und Freistellungstage. Zudem wird bei Abschluss des FSJs ein Nachweis ausgestellt, der gerade für Ausbildungen im Sozialbereich relevant werden kann.

©pexels.com Matthias Zomer

 

Persönliche Erfahrung

Nach dem Schulabschluss wollte ich sowohl eine sinnvolle Beschäftigung als auch eine Auszeit vom intensiven Bücherwälzen finden. Bei der Recherche fasste ich ein Freiwilliges Sozialjahr ins Auge, denn dort konnte ich meinen Horizont erweitern und mich gleichzeitig aktiv an der Arbeit beteiligen. Nach reichlicher Überlegung bewarb ich mich bei der Diakonie. Im Zuge des Bewerbungsprozesses hatte ich die Möglichkeit, in zwei Einrichtungen zu schnuppern und entschied mich schließlich für eine der beiden: ein Bildungszentrum im Flüchtlingsdienst der Diakonie. Bis Ende Juni bin ich dort tätig, dann habe ich ein zehnmonatiges FSJ absolviert, bei dem ich viel gelernt habe.

Im September 2019 begann mein Freiwilliges Sozialjahr. Seit dem ersten Tag in der Einrichtung erhielt ich Unterstützung vonseiten des Teams in allen Fragen rund um die Arbeit, sodass ich mich rasch zurechtfand. In einer intensiven Fortbildungswoche wurden alle, die mit September ein Freiwilliges Sozialjahr in den verschiedensten Einrichtungen der Diakonie begonnen hatten, auf ihre Arbeit vorbereitet und lernten die unterschiedlichen theoretischen Hintergründe kennen.

In den folgenden Monaten konnte ich mich in der Einrichtung einbringen, erledigte immer wieder auch administrative Tätigkeiten und durfte im Rahmen meiner Fähigkeiten Klientinnen und Klienten unterstützen – in meinem Fall war dies Hilfestellung bei verschiedenen Lernthemen. So übten wir gemeinsam Deutsch oder bearbeiteten Schwierigkeiten bei Hausübungen. Auch bei Workshops in der Einrichtung durfte ich helfen, ebenso begleitete ich Klientinnen und Klienten beim Schreiben von Bewerbungen. Bei all dem gewann ich viel Erfahrung und lernte rasch, auf die individuellen Bedürfnisse meines Gegenübers beim gemeinsamen Lernen einzugehen.

Um mein Wissen in den vorgesehenen Fortbildungsstunden zu vertiefen, konnte ich aus einer Bandbreite verschiedener Angebote wählen. So gab es etwa Fortbildungen zu Grundlagen in Asyl- und Fremdenrecht oder zu den psychischen Folgen von Flucht- und Gewalterfahrungen. Auf diese Weise lernte ich nicht nur viel Neues für die Arbeit selbst, sondern entwickelte ein größeres Problembewusstsein für verschiedene Bereiche.

Allerdings sollte es noch eine zusätzliche Herausforderung geben: Die Corona-Pandemie machte eine persönliche Betreuung der Klientinnen und Klienten rasch unmöglich. Daher passten Einrichtungen, in denen dies möglich war, auch zum Schutz der betreuten Menschen ihr Angebot an. Für meine Einrichtung bedeutete dies, dass wir uns als Team die technischen Entwicklungen wie Videotelefonie und Lernplattformen zunutze machten und so aus der Ferne weiterhin Unterstützung anboten. Das war eine ungewohnte Situation, doch nach rascher Umstellung konnte auch ich die Lernunterstützung in Videokonferenzen weiter fortsetzen.

In meinen Augen ist ein FSJ eine einzigartige Möglichkeit, das eigene Engagement und die individuellen Fähigkeiten einzubringen und gleichzeitig viel Wissen und Erfahrung zu erwerben – denn sowohl soziale Kompetenzen als auch Sachthemen spielen eine Rolle. Nicht zuletzt ist die Arbeit mit Menschen so vielfältig, dass kein Tag wie der andere ist. Damit war es für mich eine einmalige Zeit, die mich prägen wird und für die ich dankbar bin.

Daher kann ich diese Form des Engagements allen empfehlen, die Freude an der Arbeit mit Menschen haben und in Zukunft womöglich in diesem Bereich beruflich tätig sein wollen.