Januar 2021

Eine Gynäkologin im Interview

Fehlinformationen stellen ein großes Problem unter Jugendlichen dar

Hannah Metzker (19) studiert Geschichte und Politikwissenschaft

Frau Dr. Ingeborg Anderl betreibt seit 20 Jahren eine eigene gynäkologische Praxis in Ollersdorf, davor arbeitete sie einige Jahre an der gynäkologischen Abteilung des SMZ Ost. In diesem Interview klärt sie über wichtige Informationen zu den Themen Verhütung, Geschlechtsverkehr und Schwangerschaft auf.

Was sind die häufigsten Anliegen, mit denen Jugendliche in Ihre Praxis kommen?

Am häufigsten kommen Jugendliche mit dem Wunsch nach Verhütung oder wegen Menstruationsproblemen, wie zum Beispiel starken Regelschmerzen oder starken Blutungen, zu mir.

Was kann man gegen Regelschmerzen tun? Macht die Pille in diesem Fall Sinn?

Das kommt ganz drauf an. Wenn es nur um Regelschmerzen geht, die Blutung sonst regelmäßig ist und man keine Verhütung braucht ist es sinnvoller, für die paar Tage im Monat Schmerzmittel zu nehmen. Bei starker, unregelmäßiger Blutung und schlimmen Regelschmerzen macht die Pille als Therapie Sinn, auch wenn man jetzt nicht unbedingt eine Verhütung braucht. Es kommt also auf den Einzelfall an.

Die Pille für die Frau und das Kondom sind wohl die bekanntesten Verhütungsmethoden. Welche Verhütungsmethoden würden Sie Jugendlichen empfehlen?

Das ist bis zu einem gewissen Grad altersabhängig und natürlich individuell. Wenn jemand 14 ist und verhüten möchte, ist die Pille das sinnvollste. Wichtig ist aber die regelmäßige Einnahme. Kondom ist immer, also auch in Kombination mit der Pille möglich. Der Umgang mit dem Kondom ist aber Übungssache. Ein Kondom ist aber auch deswegen sinnvoll, weil es ein Schutz gegen ansteckbare Geschlechtskrankheiten ist.

Gibt es sichere Alternativen für Jugendliche oder sind die eben besprochenen Methoden noch immer die Effizientesten?

Manche Jugendlichen vertragen die Hormone der Pille nicht oder entscheiden sich aus anderen Gründen dagegen. Als Alternative ist eine Spirale möglich, sowohl eine hormonfreie Kupferspirale als auch eine Hormonspirale. Die Entscheidung soll nach Besprechung aller Vor- und Nachteile, gemeinsam mit der Frauenärztin getroffen werden. Je nach Größe der Gebärmutter kann die Spirale angepasst werden, es muss einem aber bewusst sein, dass eine hormonfreie Kupferspirale weder gegen Regelschmerzen noch gegen starke Blutung hilft.

Was ist die HPV-Impfung? Warum ist sie wichtig?

HPV heißt Humanes Papillomavirus und es gibt über 100 Typen davon. Ungefähr 10 Typen zählen zu den sogenannten „High Risk“-Typen, die bei einer länger bestehenden Infektion am Muttermund zu einer Zellveränderung führen können. Daraus kann Gebärmutterhalskrebs entstehen. HPV ist eine Schmierinfektion, der Hauptübertragungsweg ist Geschlechtsverkehr. Die Impfung ist deshalb sinnvoll, weil man sich da vorbeugend schützen kann, denn gegen eine bestehende Virusinfektion gibt es noch keine Therapie.

Wann lässt man sich am besten gegen HPV impfen?

Am meisten Sinn macht die Impfung vor dem ersten Geschlechtsverkehr. Die Impfung ist auch im österreichischen Schulimpfprogramm enthalten und wird den Mädchen UND Buben in der vierten Volksschulklasse im Alter von neun bis 12 gratis angeboten. Vom 12. bis zum 15. Lebensjahr zahlt man einen vergünstigten Preis für die Nachholimpfung. In Niederösterreich gibt es dann noch bis zum 26. Lebensjahr die Möglichkeit, sich ebenfalls vergünstigt nachimpfen zu lassen. Das gilt aber nur speziell in Niederösterreich. Grundsätzlich ist die Impfung für beide Geschlechter empfehlenswert – wenn alle geimpft sind, gibt es keine gegenseitige Ansteckung! Denn auch Buben können bei einer HPV Infektion ein größeres Risiko für Karzinome (Krebskrankheit) entwickeln.

Das erste Mal Sex ist wohl für alle Jugendliche ein aufregendes Thema. Worauf muss man achten, wenn man will, dass es problemlos abläuft und eine schöne Erinnerung bleibt?

Das ist eine ziemlich schwierige Frage. Erstens ist es ganz wichtig, dass es im Einverständnis beider Parteien passiert und sich nicht einer oder eine zu etwas drängen lässt. Zu seinem Partner oder seiner Partnerin sollte man genügend Vertrauen haben, um offen darüber zu reden was man will und was man nicht will. Zweitens ist es wichtig, bereits im Vorhinein die Art der Verhütung abzuklären. Das nimmt den Stress und die Sorge, die man sonst im Hinterkopf mitträgt. Auch Sex muss gelernt sein. Man sollte sich nicht erwarten, dass gleich beim ersten Mal alles wunderbar funktioniert.

Was soll man tun, wenn man nach dem Sex blutet? Muss man sich Sorgen machen?

Wenn es einmalig vorkommt und nur leicht blutet, kann es sich ganz einfach um eine kleine Verletzung handeln. Passiert das aber immer wieder nach dem Geschlechtsverkehr gehört es auf jeden Fall kontrolliert, weil es dann auch organische Ursachen haben kann.

Ich hatte vor Kurzem Sex, jetzt fühl ich mich nicht gut – mir ist übel. Ich habe Angst, dass ich schwanger sein könnte. Was soll ich tun?

Zu aller erst darüber nachdenken, wann du deine letzte Regelblutung hattest. Wie lang ist das her? Sollte sie eigentlich schon wieder da sein? Wenn, ja, dann sollte man auf jeden Fall einen Schwangerschaftstest machen. Nimmt man die Pille sollte man sich Gedanken darüber machen, ob man sie vielleicht einmal vergessen oder zu spät genommen hat.

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Wie lange nach dem Sex ist die Pille danach noch hilfreich?

Da gibt es zwei verschiedene Varianten. Eine kann man bis zu fünf Tage nach dem Geschlechtsverkehr genommen werden, die andere ist nur bis zu 72 Stunden danach wirksam. Aber man sollte bedenken, dass die Wirkung nachlässt, je länger der Geschlechtsverkehr her ist. Ideal ist die Einnahme der Pille danach in den ersten 24 Stunden nach dem Sex. Man bekommt die Pille danach rezeptfrei in jeder Apotheke.

Der Schwangerschaftstest war positiv. Was jetzt?

Sich den Eltern, einer Freundin oder einem Freund anzuvertrauen ist grundsätzlich ein guter Start. Danach sollte ein Kontrolltermin bei der Frauenärztin oder dem Frauenarzt vereinbart werden. Man kann mit Begleitung oder auch alleine zu diesem Termin erscheinen. Dort wird dann ein Ultraschall gemacht um feststellen zu können, wie weit fortgeschritten die Schwangerschaft ist und wie viel Zeit bleibt, um eine Entscheidung zu treffen. Bis zur 12. Schwangerschaftswoche hat man die Möglichkeit, um sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Je früher man zu einem Entschluss kommt, desto unproblematischer ist eine potenzielle Abtreibung. Es ist aber ganz, ganz wichtig sich gut zu überlegen, welche Entscheidung man trifft. Ich rate mehrere Nächte darüber zu schlafen und mit den Eltern darüber zu reden und dann eine Entscheidung zu treffen mit der man leben kann.

Aufgrund von unerfüllbaren Schönheitsidealen, wie sie zum Beispiel in Pornos zu finden sind, sind manche Mädchen vielleicht unglücklich mit ihrer Vulva. Was rätst du diesen Mädchen?

Solche Fragen bekomm ich immer wieder mal von Patientinnen. In 99,9 % der Fälle kann man allerdings sagen, dass die Sorgen unbegründet sind. Das Aussehen von Vulven zum Beispiel in Pornos entspricht keinesfalls der Realität. So wie nicht jeder Penis gleich ausschaut, sind auch Vulven in Größe und Form unterschiedlich.

In welchen gesundheitlichen Fällen muss man unbedingt zum Frauenarzt?

Wenn die Regelblutung ausbleibt. Das kann organische oder hormonelle Gründe haben oder einer Schwangerschaft geschuldet sein. Ebenso bei Schmerzen beziehungsweise Blutungsstörungen natürlich auch.

Wie oft sollte man eine Untersuchung bei der Frauenärztin machen?

Wenn es keine Beschwerden gibt ist eine Routinekontrolle einmal jährlich ausreichend. 

Last but not least: Wie ist Ihre Auffassung – sind Jugendliche heutzutage gut aufgeklärt oder ist da noch Luft nach oben?

Ich würde durchaus behaupten, dass die meisten gut aufgeklärt sind, weil man heutzutage einfach offener darüber spricht. Ein großes Problem stellen allerdings die Fehlinformationen dar, die im Internet in einschlägigen Foren zu lesen sind. Dort werden oft Einzelmeinungen, zum Beispiel über Verhütungsmethoden, gepostet, die nichts mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun haben und oftmals sehr einseitig sind.

Danke für das Interview!