September 2022

Cannabis und das Gesetz

Der Weg zur Legalisierung?

Reka Seitz (21) studiert Rechtswissenschaften

Cannabis ist bekanntermaßen nach dem Suchtmittelgesetz verboten. Genauer: Gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 SMG ist unter anderem der Besitz und der Erwerb sowie das Vertreiben von Suchtmitteln – wie Cannabis eines ist – untersagt. Doch ob das so bleiben soll oder nicht, darüber herrschen auch in Österreich bereits breite Debatten. Was spricht für eine Legalisierung von Cannabis – also von Kauf, Verkauf und Besitz – was dagegen? 

 

Cannabis – wovon sprechen wir genau? 

Für Cannabis gibt es viele umgangssprachliche Bezeichnungen: Weed, Gras oder Marihuana. Wenn wir landläufig davon sprechen, meinen wir in der Regel die getrockneten und zerkleinerten Blüten der weiblichen Hanfpflanze zweier bestimmter Cannabisarten, die neben vielen anderen sogenannten Cannabinoiden die Wirkstoffe CBD (Cannabidiol) und THC (Tetra-Hydro-Cannabinol) enthalten. Letzteres ist für die berauschende (=psychoaktive) Wirkung von Cannabis verantwortlich, womit auch das Verbot von Cannabis (also Hanf mit einem bestimmten THC-Gehalt) gerechtfertigt wird. Hanf mit einem THC-Gehalt von mehr als 0,3% darf in Österreich nur zu medizinischen Zwecken angebaut werden, wenn dies von „der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH oder einer zu diesem Zweck gegründeten Tochtergesellschaft“ vorgenommen wird. Damit soll sichergestellt werden, dass Cannabis nicht als Genussmittel vertrieben wird. 

© Birgit Rampsl

Einsatzbereiche 

Schon jetzt kommen unterschiedliche Teile der Hanfpflanze und unterschiedliche Hanfpflanzen selbst in unterschiedlichen Feldern zur Anwendung. Während THC-haltiger Hanf für die medizinische Behandlung von Krankheiten wie etwa dem Tourette-Syndrom oder zur Schmerzlinderung bei Krankheiten wie Multipler Sklerose (MS) eingesetzt wird, wird Nutzhanf (ohne THC) zur Herstellung von Textilien genutzt – es darf ein solcher Faserhanf angebaut werden, solange der THC-Gehalt unter der Grenze von 0,3% liegt. Der Einsatz in Futtermitteln oder Kosmetika ist derzeit in der EU nicht erlaubt. 

Die Stimmen zur Legalisierung 

Zu medizinischen Zwecken darf Cannabis bereits eingesetzt werden, auch in Österreich. Zur Debatte steht eine Legalisierung von Besitz und Vertrieb von THC-haltigem Cannabis zu Genusszwecken, auf gut Deutsch: Die Frage ist, ob Menschen legal einen Joint rauchen dürfen sollen. 

Argument 1: Die Einstiegsdroge 

Oft wird von Kritiker*innen einer Legalisierung angeführt, Cannabis sei eine Einstiegsdroge. Als solche sei Cannabis oft der Beginn einer Drogenkarriere, die später mit härteren Drogen (etwa Kokain und Heroin) fortsetze. Befürworter*innen einer Legalisierung lassen das allerdings nicht gelten. Cannabiskonsum führe nur deshalb möglicherweise dazu, dass später auch härtere Drogen konsumiert werden, da auch das Cannabis bei Dealer*innen erworben würde, die zumeist auch andere Drogen anböten. Selbst das deutsche Bundesverfassungsgericht greift in einer Entscheidung im Jahr 1994 (Beschluss des Zweiten Senats vom 09. März 1994- 2 BvL 43/92 -, Rn. 1-259) ein Sachverständigengutachten auf, das davon ausgeht, dass „Haschisch keine Einstiegsdroge für härtere Drogen sei und auch keine Schrittmacherfunktion entfalte“. 

Argument 2: Entlastung der Justiz und Steuereinnahmen 

Im Jahr 2020 wurden in Österreich 28 587 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz in Zusammenhang mit Cannabis registriert. Befürworter*innen einer Legalisierung argumentieren, dass viele dieser Anzeigen wegen Geringfügigkeit wieder eingestellt und dadurch die Justiz und damit den Staatshaushalt unnötig belasten würden. Eine Legalisierung würde die von vornherein aussichtslose Verfolgung solcher Verstöße gegen das SMG unnötig machen und den Steuerzahler*innen etliches an Geld ersparen, das dann wiederum dem Budget zur Verfügung steht – etwa zur Suchtprävention. Nicht nur das; würde Cannabis von staatlich lizensierten Stellen ausgegeben, könne man zudem eine Steuer auf die Droge einheben und somit – ähnlich wie beim Zigarettentabak – eine zusätzliche Einnahmequelle für den Staat erschließen.

Argument 3: Gefährlichkeit und Folgen längerfristigen Konsums im Vergleich mit anderen Drogen 

Als legale Drogen sind Alkohol und Tabak gesellschaftlich akzeptiert, allerdings sind sie bekanntermaßen nicht ungefährlich. So starben 2016 etwa drei Millionen Menschen weltweit an den Folgen des Alkoholkonsums. Während man also Alkohol unmittelbar überdosieren und so der Tod infolge einer akuten Alkoholvergiftung eintreten kann, ist bei Cannabis eine tödliche Überdosierung laut dem US-amerikanischen National Institute on Drug Abuse praktisch nicht erreichbar - immerhin müsste man nach den Recherchen des US-Autors David Schmader etwa 680 Kilogramm (1500 Pfund) in fünfzehn Minuten rauchen, damit der Tod eintritt.

Deswegen ist Cannabis allerdings nicht harmlos, wie Kritiker*innen zurecht entgegenhalten. Die Wirkung von Cannabis fällt, abhängig von der Art des Konsumierens (Rauchen, in Nahrungsmitteln, etc.) und der Dosierung, unterschiedlich heftig aus. Zu den positiven Wirkungen des im Cannabis enthaltenen THCs gehören Euphorie oder Gelassenheit, zu den negativen Wirkungen unter anderem Angstzustände und damit verbundene körperliche Reaktionen. Genetische Vorbelastungen können zusätzliche Risikofaktoren darstellen und psychische Erkrankungen gerade bei wiederholtem Cannabiskonsum begünstigen. Besonders risikobehaftet ist der Mischkonsum, also die Einnahme von Cannabis in Kombination mit anderen Drogen oder Medikamenten.  

Längerfristig schadet auch das Rauchen von Cannabis der Lunge. Wird Cannabis in Nahrungsmittelform konsumiert, sind die Langzeitschäden nicht so massiv wie etwa bei Alkohol, der bekanntermaßen vor allem Leberschäden verursacht. Körperliche Abhängigkeit ist bei Cannabis nicht bekannt – im Gegensatz zu Alkohol -, eine psychische Abhängigkeit ist allerdings möglich. Damit hat auch Cannabis Suchtpotenzial. Nicht zuletzt steigert Konsum in frühem Alter das Risiko für psychische Krankheiten. 

Argument 4: Kontrolle durch den Staat und Jugendschutz 

Oftmals sind Drogen, die auf dem Schwarzmarkt vertrieben werden, mit anderen Substanzen verunreinigt, was für die Konsument*innen nicht überprüfbar ist. Dadurch und den Umstand, dass der THC-Gehalt oftmals nicht genau festgestellt werden kann, entsteht für die Konsument*innen ein nicht kalkulierbares Risiko von physischen und psychischen Nebenwirkungen. Befürworter*innen einer Legalisierung sehen hier die Möglichkeit des Staates, einzugreifen: Werde das Cannabis von staatlich autorisierten Stellen – etwa Apotheken – ausgegeben, so könne der Staat eine Überprüfung des THC-Gehalts vorsehen und Verunreinigungen durch Produktionsvorschriften unterbinden. Die Konsument*innen seien dadurch wesentlich besser geschützt. Während Kritiker*innen auch auf den Jugendschutz hinweisen, kann Befürworter*innen zufolge auch dieser durch eine Legalisierung unterstützt werden: Der Staat kann bestimmte Reglementierungen vorschreiben, die die Ausgabe an bestimmte Altersgruppen verbieten, sodass Jugendliche wesentlich schwerer an Cannabis gelangen können und jedenfalls legal kein Erwerb durch bestimmte Altersgruppen möglich ist. 

© Dina Fric

Ein Ausblick 

Während in Österreich noch debattiert wird, sieht es im Ausland bisweilen anders aus. Länder wie die Niederlande oder einige Bundesstaaten der USA haben den Konsum von Cannabis bereits entkriminalisiert. Gerade die Niederlande gelten als europäischer Vorreiter. Dort kann Cannabis seit den 70er-Jahren legal über dem Alter von 18 Jahren in Coffeeshops erworben werden. Problematisch ist dort allerdings, dass die Coffeeshop-Betreiber*innen die Ware bisweilen nur am Rande der Legalität oder überhaupt nicht legal beziehen können, weil die Züchtung von Cannabis sowie die Herstellung immer noch illegal sind. Der Verkauf ist erlaubt, aber der Einkauf durch die Coffeeshops nicht. Diese Lücke schließen viel zu oft Drogenbanden, die die Coffeeshops mit dem Cannabis versorgen. Es ist also klar: Wenn eine Legalisierung stattfinden soll, dann darf diese nicht nur den Konsum einschließen.

In Österreich beschäftigte das Cannabis-Verbot bereits ein Höchstgericht: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) war mit einem Individualantrag eines Niederösterreichers befasst, der das Cannabis-Verbot für privaten Gebrauch als unverhältnismäßig und unsachlich und damit als nicht verfassungskonform ansieht. Die Richter*innen stellten der Bundesregierung am 31. Jänner 2022 eine achtwöchige Frist, um das Totalverbot zu rechtfertigen, danach war der Gerichtshof am Zug: Der VfGH entschied jedoch im Juli 2022 – verkürzt gesagt -, dass es dem Gesetzgeber freistehe, festzulegen, welche Drogen verboten sein sollen. Nichtsdestotrotz ist mit einem erneuten Entflammen der Debatte zu rechnen, angesichts der Tatsache, dass die deutsche Bundesregierung offenbar Pläne zur Legalisierung vorantreibt. 

 

 

 

Quellen:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220208_OTS0024/cannabis-verbot-auf-dem-pruefstand

https://www.strafverteidiger-wien.at/recht-oesterreich-news/suchtmittelgesetz-cannabis-rechtsanwalt-wien

https://www.planet-wissen.de/natur/pflanzen/hanf/pwiewirkungderpflanze100.html

https://www.ages.at/mensch/ernaehrung-lebensmittel/lebensmittelinformationen/hanf

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1994/03/ls19940309_2bvl004392.html

https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Drogen-und-Sucht/Suchtmittel-NPS-Drogenausgangsstoffe/Berichte-und-Statistiken/Berichte-zur-Drogensituation-in-%C3%96sterreich.html

https://www.kleinezeitung.at/lebensart/gesundheit/5500651/Oesterreich-im-Spitzenfeld_Pro-Jahr-drei-Millionen-Todesopfer

https://www.news.at/a/marihuana-ueberdosis-menge-7677594

https://www.businessinsider.de/wissenschaft/kann-marihuana-euch-toeten-2018-3/

https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/sucht/cannabis/wirkung.html

https://www.youtube.com/watch?v=E7OeOPJxm2Q

https://www.youtube.com/watch?v=EeCwFfCHvdU

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/niederlande-cannabis-101.html

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/niederlande-vorbild-cannabis-legalisierung-100.html

https://www.youtube.com/watch?v=xP5zaQTo7X0&list=PLAk7n8Nomnt9MrwmClMVzHwe3agSs11FM&index=36

https://www.youtube.com/watch?v=yeaNw2HiSwk&list=PLAk7n8Nomnt9MrwmClMVzHwe3agSs11FM&index=35

https://www.vfgh.gv.at/medien/Vorschau_Juni_ausser_Covid.php

https://www.derstandard.at/story/2000137550503/cannabis-bleibt-verboten-verfassungsgerichtshof-lehnte-antrag-ab

https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH-Beschluss_G_323_2021_ua_Zlen_vom_1._Juli_2022.pdf