Dezember 2021

Faszination True Crime.

Cornelia Plott (20) studiert Medienmanagement

Man liest es überall, gefühlt das halbe Internet ist voll mit diesem neuartigen Genre und jede/r behauptet plötzlich, es auch zu lieben. Die Rede ist von True Crime, was auf Deutsch so viel bedeutet wie das Nacherzählen realer Kriminalgeschichten. Was sich im ersten Moment als grausige Unterhaltung für die Halloween-Party anhört, ist allerdings höchst lukrativ und gefundenes Fressen für selbst ernannte Hobbydetektiv*innen in sozialen Netzwerken.

Im August 2021 verschwindet die US-amerikanische Bloggerin Gabby Petito und plötzlich scheint es, als würde die ganze Welt an den Ermittlungsarbeiten teilnehmen. Allein auf TikTok lassen sich unter #gabbypetito an die 2 Milliarden Aufrufe verzeichnen und auch auf Instagram und YouTube haben Hobbydetektiv*innen offensichtlich Feuer gefangen und versuchen gemeinsam, den mutmaßlichen Mörder ausfindig zu machen. True Crime zum Mitmachen sozusagen.

Aber nun alles von Anfang an. Im Sommer 2021 bricht die amerikanische Influencerin Gabby Petito gemeinsam mit ihrem Freund Brian Laundrie zu einem Roadtrip durch die Staaten auf. Die Follower werden stets auf dem Laufenden gehalten und mit romantischen Bildern in malerischen Nationalparks versorgt. Alles scheint ziemlich makellos, wie so oft auf Instagram. Auch am 25. August, was den letzten Tag darstellt, an dem Gabby Fotos auf der sozialen Plattform hochlädt. Es ist ein Bild von Gabby, wie sie lachend einen Kürbis in die Kamera hält und in der Bildbeschreibung den Followern „Happy Halloween“ wünscht. Eine Woche später kehrt Brian ohne Gabby zurück nach Hause und prompt wird sie von ihrer Familie als vermisst gemeldet. Kurz darauf ist auch ihr Freund Brian unauffindbar. Die Medien laufen seinem Elternhaus fast die Türen ein, Tag und Nacht werden Brian’s Eltern von Kamerateams belagert und eine Armee von Hobbydetektiv*innen im Internet beginnt zu ermitteln. Täglich tauchen neue Links und Spuren im Netz auf, als wahr stellen sich allerdings nur die wenigsten heraus. Ein Video, das den Ermittler*innen jedoch tatsächlich weiterhilft, stammt von Miranda Baker. Sie berichtet, wie sie Gabby und Brian ein Stück weit mit dem Auto mitgenommen hat und schließlich wurde Gabby in der Nähe der Ortsbeschreibung von Miranda gefunden. Sie wurde in einem Nationalpark in Wyoming ermordet. Von diesem Tag an arbeiteten Online-Hobbydetektiv*innen Tag und Nacht daran, Gabby’s Freund Brian zu finden, von welchem jede Spur fehlt. Wie nun jedoch bekannt wurde, fand das FBI in einem Naturschutzgebiet in Florida menschliche Überreste, die nach einer zahnmedizinischen Untersuchung Brian Laundrie zugeteilt werden konnten.

 

© AP©AP

Die Faszination für Verbrechen ist enorm, seit Jahren boomt das True Crime Genre und wird in zahlreiche Formate gepackt, seien es Podcasts, Bücher oder TV-Shows. Doch was fasziniert die Menschen an Kriminalfällen? Eine Antwort auf diese Frage liefert Kriminalpsychologin Lydia Benecke, die unter anderem auch selbst Host eines True Crime Formats ist. Im Interview mit NDR stellt sie fest, dass im Fall von Gabby Petito vor allem das sogenannte „Missing white woman“-Syndrom zutrifft. Dies bedeutet, dass über das Vermissen von hellhäutigen Frauen in der Mittelschicht viel häufiger berichtet und diskutiert wird als über andere Menschen, die ebenfalls verschwinden. Dass Onlinedetektiv*innen auf TikTok und Co. tatsächlich wertvollen Input zur Ermittlung geleistet haben, bezweifelt die Kriminalpsychologin jedoch. Es gäbe einfach zu viele Unwahrheiten, die als Tatsache dargestellt werden und somit Verwirrung stiften. So mancher Netzdetektiv möge beispielsweise sogar mit Gabby Petito’s Geist gesprochen haben.

Doch auch in Europa werden Kriminalfälle in sozialen Medien in all ihre Einzelheiten zerlegt. So auch im Fall der seit dem Jahr 2019 vermissten Rebecca Reusch aus Deutschland. Die Polizei kämpft bis heute mit tausenden digitalen Hinweisen, was wiederum dazu führt, diese gar nicht mehr abarbeiten zu können. Diese Spuren stellen sich allerdings fast immer als unbrauchbar heraus.

Auch wenn es so scheint, dass True Crime erst in den letzten Jahren an Popularität zugenommen hat, gibt es eine altbekannte Fernsehserie, die diesem Genre eindeutig zuzuordnen ist. Die Rede ist von der deutschsprachigen Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“, die bereits seit 1967 existiert. Erst im Jahr 2018 verzeichnete die Serie ein neues Quoten-Hoch, das sich zeitlich mit dem Boom des True Crimes einordnen lässt. Diese bereits über Jahrzehnte hinweg erfolgreiche Sendung zeigt jedoch sehr deutlich, dass die Faszination an realen Kriminalfällen längst kein neuer kurzweiliger Hype der Generation Z ist.

 

©pexels.com©pexels.com