März 2023

Fußball unter dem Regenbogen

Hat der Spitzensport ein Homophobie-Problem?

Hannah Metzker (21) studiert Geschichte und Politikwissenschaft

Als ich im Zuge der Recherchen „Homophobie im Fußball“ gegoogelt habe, war ich überrascht – zu diesem Thema gibt es eine eigene Wikipedia-Seite. Dass Homophobie im Sport immer wieder Schlagzeilen macht, ist keine Überraschung, aber inwiefern handelt es sich dabei um ein institutionelles Problem und welche Maßnahmen werden ergriffen, um das Thema aus der Tabuzone zu holen?  

LGBTIQ+ als Tabuthema  

Sechs geoutete männliche Profifußballspieler zählt man zum heutigen Stand, viele von ihnen haben ihre Karriere bereits hinter sich. Schwul-Sein findet in der öffentlichen Wahrnehmung des Fußballsports daher kaum statt und noch im Jahr 2023 prägt die Verknüpfung des schwul-Seins mit Schwäche die Wahrnehmung vieler Fans, Trainer:innen, Funktionär:innen und Spieler:innen. 

Zwar ist Körperkontakt im Fußball absolute Normalität – Tore werden oftmals mit Umarmungen und Küssen zelebriert – dies wird allerdings von Seite der Zuseher:innen nicht als sexuell interpretiert. Und genau hier liegt für homophobe Fans das Problem: Homosexuelle sorgen für eine Sexualisierung des Sports und das, so wird von vielen angenommen, wirkt sich negativ auf den Sport aus. Aufgrund mangelnder Bildung und Aufklärung herrscht außerdem auch unter den Spielern die Angst, sich möglicherweise bei schwulen Teamkollegen anzustecken.  

Diskriminierende und homophobe Kommentare von den Zuschauer:innenrängen sowie dem eigenen oder dem gegnerischen Team sind im Männerfußball bis heute gang und gäbe. Diese richten sich allerdings keineswegs nur an geoutete Spieler, sondern sind in gewisser Weise Tradition im Fußballsport. Das zeigt beispielsweise der „Chelsea rent boys”-Gesang, den Fans der gegnerischen Teams seit den 1980ern immer dann anstimmen, wenn ihr Team gegen den englischen Fußballklub FC Chelsea aufläuft. „Rent boy” ist umgangssprachlich eine herablassende Bezeichnung eines Mannes, der gegen Geld mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr hat. Erst im Jänner des vergangenen Jahres kam die Diskussion um diesen offen homophoben Fan-Gesang auf, nachdem das Crown Prosecution Service, eine wichtige Strafverfolgungsbehörde in England und Wales, diesen Gesang als „Hate Crime” klassifiziert und somit strafrechtlich verfolgbar gemacht hat. Bisher brachte diese Änderung allerdings wenig, da viele Fans auch weiterhin an dieser diskriminierenden Tradition festhalten.  

Nicht nur im vergleichsweise weit entfernten England ist Homophobie im Männerfußball ein eindeutiges Problem. Erst im Mai 2022 kam es beim Wiener Derby zwischen den beiden österreichischen Fußballklubs SK Rapid Wien und FK Austria Wien zu homophoben Ausschreitungen, wie die Tageszeitung “DerStandard” berichtet. Die Rivalität der beiden Traditionsklubs ist historisch verankert, was den meterlangen Banner der Austrianer mit Aufschrift einer diskriminierenden Beleidigung bei besagtem Derby jedoch nicht im Geringsten rechtfertigt. Dass der Wille zur Bekämpfung von Homophobie noch längst nicht bei allen Institutionen des Sportes angekommen ist, zeigt die Tatsache, dass dieser Vorfall weder gestoppt noch bestraft wurde. Kurze Zeit nach diesem Ereignis kam es auch bei einem Match zwischen SK Rapid und TSV Hartberg zu homophoben Sprechchören von Seite der Rapidler.  

Bedenke man nun, dass es sich bei den beiden genannten Beispielen um Ereignisse im Profifußball handelt, möchte man gar nicht genau darüber nachdenken, was in den Jugendvereinen oder den Regional- und Landesligen Österreichs passiert.  

 

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Die Fußball-WM der Männer in Katar: kein Aushängeschild  

Wie in der letzten DasHelmut-Ausgabe ausführlichst berichtet, tat die vergangene Männer-Fußballweltmeisterschaft wenig Gutes für das Image des Sports. Neben den homophoben Aussagen des katarischen FIFA-WM-Botschafters Khalid Salman, welcher Homosexualität (fälschlicherweise) auf einen “Schaden im Kopf” zurückführt, kam es einmal mehr auch unter den Fans zu Ausschreitungen. So musste der Fußballweltverband nach dem Eröffnungsspiel Katar gegen Ecuador ein Disziplinarverfahren gegen Ecuador eröffnen. Grund dafür waren homophobe Fangesänge. Das Ergebnis des Disziplinarverfahrens: eine Geldstrafe und eine Punktereduktion für die nächste WM-Qualifikation Ecuadors.  

Während die FIFA in diesem Fall zwar gehandelt hat, ist dies wohl keineswegs auf eine grundsätzliche politische Überzeugung dieser Institution zurückzuführen. So kam es im Vorfeld der Weltmeisterschaft zu einer Regeländerung, die das intensive Feiern eines geschossenen Tores verbot. Die oben angesprochenen üblichen Formen des Körperkontakts - Küssen, Bespringen Umarmen, etc. - würden laut FIFA-Präsident Gianni Infantino die “Gefühle der Kataris” verletzen.   

Warum sind Homosexuelle im Männerfußball unsichtbar?  

Im Diskurs zur Homophobie im Sport gibt es zwei Hauptthesen darüber, warum die Anzahl der geouteten Profifußballer so gering ist. Zum einen kann es sein, dass einige professionelle Spieler eine Art Doppelleben führen und ihre Homosexualität aus Angst vor Hass und negativen Konsequenzen nur im Geheimen ausleben. Mit der Gefahr eines möglichen unfreiwilligen Outings, beispielsweise, weil man von Fans oder Journalist:innen erkannt wird, ist man dann alltäglich konfrontiert. Zum anderen können auch institutionalisierte Hürden dafür verantwortlich sein, dass es so wenige offen homosexuelle Profifußballer gibt. Eine ablehnende Haltung gegenüber gleichgeschlechtlicher Sexualität ist im Fußballsport bis zu einem gewissen Grad systematisch und institutionell verankert, wodurch schwule Spieler oftmals gar nicht die Möglichkeit zum „Karrieresprung” bekommen, sondern vorab, unabhängig von Begabung und Können, aussortiert werden.   

Wie sieht es beim Damenfußball aus?  

Die Debatten rund um Homosexualität sind oftmals ein Spiegelbild der modernen Geschlechterverhältnisse und dem Verständnis dieser in den unterschiedlichen Gesellschaften. So hängt die feindselige Haltung gegenüber homosexuellen, männlichen Fußballspielern meist mit einem traditionellen Männlichkeitsbild zusammen, wonach Schwulsein als “Schwäche” angesehen wird und somit nicht zu den Charakterzügen eines erfolgreichen Athleten passt. Ebendieses Verständnis vom Fußball als “männlicher Sport” sorgt dafür, dass weiblichen Athletinnen oftmals von Vornherein als homosexuell abgestempelt werden. Der Sport passe demnach einfach nicht zu dem traditionellen Idealbild einer Frau. Neben diesem offensichtlichen Problem kommt es aber auch im Damenfußball zu homophoben Zwischenfällen. So machte die US-Fußballerin Jaelene Daniels im Jahr 2019 Schlagzeilen, nachdem ein Video von ihr veröffentlicht wurde, in dem sie erklärt, dass sie sich 2017 weigerte, im US-Nationalteam mitzuspielen, weil dieses mit einem Pride-Jersey die LGBTIQ+ Community unterstützen wollte.  

Fazit: Wie homophob ist der Fußballsport? 

Viele, teils sehr aktuelle Vorfälle haben gezeigt, dass der beliebteste Sport der Welt nach wie vor ein Problem mit institutionell verankerter Homophobie hat. Dies hat eine massive Auswirkung auf seelische Belastung betroffener Spieler:innen zum einen, und jungen Fans, die ebenfalls der LGBTIQ+ Community angehören zum anderen. Zwar wird immer öfter durch Aufklärungskampagnen versucht, für mehr Toleranz auf Tribüne und Spielfeld zu sorgen, jedoch mit mäßigem Erfolg. Die strukturelle Verankerung von heteronormativen und patriarchischen Männlichkeitsidealen sorgt dafür, dass Homophobie fester Teil der Fußball-Tradition ist. Immer wieder wird dadurch die Aufmerksamkeit, die eigentlich auf den Sport, der an sich zweifellos einer der schönsten und unterhaltsamsten ist, auf Themen gelenkt, die nach dem Prinzip des Fairplays eigentlich keine Rolle für Athlet:innen und Fans spielen sollte.