Juni 2021

Homosexualität und die katholische Kirche

Hannah Metzker (19) Cornelia Plott (20)

Stell dir vor, du möchtest die Liebe deines Lebens heiraten und fieberst sehnsüchtig auf den schönsten Tag des Lebens hin. In deinem Kopf ist alles durchgeplant, die Outfits passen wie angegossen, die Location ist reserviert und der Streit über die Auswahl der Tischdeko ist auch schon wieder verpufft. Plötzlich liest du am 15. März 2021 die neuesten Meldungen des Tages und siehst einen Beitrag mit einer durchgestrichenen Regenbogenfahne. „Vatikan verbietet Segnung gleichgeschlechtlicher Paare“ heißt es darunter. Das bunte Kopfkino von vorhin verliert jegliche Farbe.

„Gott segnet keine Sünde.“ So argumentierte die Glaubenskonfiguration des Vatikans im März 2021 die Entscheidung, homosexuellen Paaren die Segnung nach katholischer Lehre zu verwehren. Merkwürdig, wenn man bedenkt, dass Papst Franziskus sogar der erste Papst ist, der die christliche Gemeinschaft noch vor einigen Monaten dazu aufrief, Homosexuelle zu akzeptieren und ihnen auf einer respektvollen Ebene zu begegnen. Denn auch Mitglieder der LGBTIQ*-Community sind laut Papst Franziskus Kinder Gottes und haben ein Recht auf eine Familie. Während es vor einigen Monaten also noch so aussah, als würde die katholische Kirche erste (längst überfällige) Schritte in die richtige Richtung machen, sieht es jetzt eher nach einem Sprung zurück ins 20. Jahrhundert aus. Papst Franziskus hat in der Vergangenheit zur Heirat von gleichgeschlechtlichen Paaren keine klare Stellung bezogen. Im März 2021 hat sich der Vatikan zu diesem Thema jedoch mit einem klaren „Nein“ geäußert.

© pexels.com

Die Neuerung der Glaubenskonfiguration des Vatikans erhitzte Gemüter in aller Welt, doch die kühle Erklärung des Verbots der Segnung liegt der Jahrhunderte alten christlichen Lehre zugrunde. Dass die katholische Kirche keinen besonders guten Draht zur Homosexualität hat, ist tief in der Lehre verankert. So wird einerseits zwischen homosexuellen Neigungen und homosexuellen Handlungen unterschieden. Während homosexuelle Neigungen laut katholischer Kirche keiner bewussten Entscheidung unterliegen und somit nicht als Sünde betrachtet werden, werden gleichgeschlechtliche Handlungen als äußerst unmoralisch verurteilt, da sie nach katholischer Vorstellung nicht mit dem Naturrecht übereinstimmen. Im Zuge dessen besteht nach katholischem Verständnis eine Ehe auch eindeutig nur aus einem Mann und einer Frau. Ebenso sei es vom sittlichen Standpunk her nur in heterosexuellen Partnerschaften legitim, sexuell aktiv zu sein. Eine ziemlich eindeutige Bilanz, die bereits seit vielen Jahren kritisiert, aber leider auch noch immer von einigen gutgeheißen wird.

Die Debatte macht auch vor der katholischen Glaubensgemeinschaft in Österreich keinen Halt. Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler äußerte jedoch seine Enttäuschung hinsichtlich des „Neins“ zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und Josef Marketz, Bischof aus Kärnten, betont, Homosexuelle seien keineswegs „Christen aus zweiter Klasse“. Auch die Initiative „Aufruf zum Ungehorsam 2.0“, die von einigen österreichischen Priestern und Diakonen ins Leben gerufen wurde, spricht sich ganz klar für die Ehe für alle aus und verlangt dahingehend Reformen.

Wir haben uns auch in der katholischen Glaubensgemeinschaft in Krems umgehört und auch hier lässt sich eine klare Haltung erkennen. Mag. Franz Richter, Pfarrer der Pfarre Krems St. Veit schildert uns seine ersten Gedanken, als er von der Aussage des Vatikans mitbekommen hat: „Mir ist es nicht sehr gut gegangen und ich muss ehrlich sagen, dass ich mich geärgert habe. Angeblich war die Absage der Segnung homosexueller Paare durch den Vatikan nur eine Antwort auf eine Anfrage, die zu diesem Thema an den Vatikan gestellt wurde. Das legitimiert die Situation für mich ein wenig. Trotzdem freut es mich nicht, von solchen negativen Nachrichten zu hören.“

Manuela Kreipl, Pfarrsekretärin der Pfarre St. Paul, war enttäuscht und verwundert. „Wir segnen doch sonst alles: Autos, Fleisch zu Ostern, Tiere, Häuser. Segen ist doch etwas zur Stärkung und um Mut zu machen“. Auch Johanna, Mitglied einer katholischen Glaubensgemeinschaft in Krems, war sehr schockiert, denn „ich dachte, mit Papst Franziskus haben wir endlich eine Chance zu einer liberaleren und zeitgemäßeren Ausrichtung der Kirche.“ 

Auf die Frage, ob das Thema Homosexualität innerhalb der katholischen Glaubensgemeinschaft zum Thema kommt, meinte die Pfarrsekretärin Manuela Kreipl: „Homosexualität wird bei uns in der Praxis totgeschwiegen. Es wird auch bei der Jugend nicht angesprochen.“ Eine etwas andere Antwort haben wir von Pfarrer Franz Richter bekommen: „Gerade nach dieser Meldung vom Vatikan wurde es im Mitbrüderkreis (Anm.: unter Priestern) thematisiert. Natürlich kommt dieses Thema auch in der Seelsorge, also wenn sich Betroffene an mich wenden, hin und wieder vor.“ Florian, ebenfalls aktives Mitglied einer katholischen Glaubensgemeinschaft in Krems, hat ähnliche Erfahrungen geschildert: „Ich erlebe kirchliche Gemeinden sehr offen in Bezug auf Homosexualität, insbesondere dann, wenn vor Ort auch bekennende Homosexuelle in der Gemeinde mitwirken/-leben. Gerade bei katholischen Jugendorganisationen wird LGBTIQ* regelmäßig thematisiert und kirchenintern sowie öffentlich dazu Stellung genommen.“

Im Gespräch mit den Mitgliedern der katholischen Glaubensgemeinschaft in Krems haben wir außerdem nachgefragt, welche Veränderungen sie sich von der katholischen Kirche in Bezug auf das Thema Homosexualität wünschen würden. Dazu meinte Johanna: „Man muss anfangen das zu leben, was man von anderen verlangt. Ich wünsche mir, dass die Kirche von der Basis bis ganz nach oben zum Papst endlich die vielfältigen Lebensrealitäten der Menschen ernst nimmt und als relevant ansieht, aber noch wichtiger, auch auf diese angemessen und verbindend eingeht. Ich war unheimlich erleichtert, als sich viele engagierte Männer und Frauen in der katholischen Kirche gegen eine solche Verordnung aus Rom stellten und so viele Gegenstimmen laut wurden.“

Herr Pfarrer Richter wünscht sich dahingehend „eine generelle Neubewertung des Themas Sexualität und zwar auf verschiedenen Ebenen. Außerdem würde ich mir mehr Freiraum für die Seelsorge wünschen. Gewisse Dinge können nicht von oben herab entschieden werden, sondern müssen im Einzelfall bewertet werden. Das Mindeste, was ich als Pfarrer tun kann, wenn ein homosexuelles Paar auf mich zukommt und gesegnet werden möchte, ist, mich mit ihnen an einen Tisch zu setzen, um eine gemeinsame Gesprächsebene zu finden.“

Florian hat dazu eine ähnliche Meinung. Er sagt uns: „Seelsorge passiert vor Ort und in direktem Kontakt mit den Menschen. Ich würde mir wünschen, dass so wenig wie möglich und so viel wie nötig ‚zentral‘ im Vatikan geregelt wird. Die Verantwortung der Seelsorger*innen in den Diözesen/Pfarren und Gemeinden, sollte gestärkt und gestützt werden, sie kennen die Sorgen, Wünsche und Nöte der Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, oft am besten.“ Pfarrsekretärin Manuela Kreipl würde sich wünschen, dass Homosexualität in der katholischen Glaubensgemeinschaft überhaupt keine Rolle mehr spielt und sagt dazu: „Ein Mensch, der sich in der katholischen Kirche engagieren will, sollte mit offenen Armen und Herzen empfangen werden. Gottes Segen darf man meiner Meinung nach niemandem verwehren, der darum bittet.“

Bei unserer Recherche innerhalb der katholischen Glaubensgemeinschaft in Krems waren wir positiv überrascht über den starken Rückhalt, den LGBTIQ*-Menschen in der Glaubensgemeinschaft genießen. Dabei sollte allerdings nicht der Anschein entstehen, dass das Problem damit gelöst sei. Die Tatsache, dass nun vermehrt über dieses Thema und mit Betroffenen gesprochen wird, ist erst der Anfang der Problemlösung. Auch heute noch haben Mitglieder der LGBTIQ*-Community täglich mit Ausgrenzung und Intoleranz zu kämpfen. Dementsprechend muss weiter daran gearbeitet werden, betroffene Menschen mit offenen Händen in der religiösen Glaubensgemeinschaft aufzunehmen, um ihnen einen Zufluchtsort, anstatt einem weiteren Ort der Ausgrenzung, zu bieten.

unsplash.com