Kryptowährungen
Vom Scheitern einer revolutionären Idee
Merlin Mayer (22) studiert BiologieUrsprünglich als Revolution des Finanzsystems angepriesen, als eine Technologie, die die großen Banken entmachten und die Kontrolle über unser Vermögen ganz uns selbst überlassen sollte, machen Kryptowährungen heute in erster Linie Negativschlagzeilen. Sie gelten als risikoreiche Spekulationsobjekte, regelmäßig ist von dramatischen Kurseinbrüchen zu hören und ihre Klimabilanz ist katastrophal.
Dogecoin, Luna Coin, Ethereum, Bitcoin – das sind die Namen verschiedener Kryptowährungen, die in den letzten Jahren aus unterschiedlichsten Gründen Schlagzeilen gemacht haben. Der digitale Geldersatz ist in aller Munde, doch warum sie überhaupt existieren und wie sie funktionieren ist weit weniger bekannt.
Eine Revolution des Finanzsystems
Alles begann im Jahr 2008. Die Welt steckte tief in der schlimmsten Finanzkrise seit Jahrzehnten. Unzählige Menschen hatten ihr Vermögen verloren, die Wirtschaft war eingebrochen, das Vertrauen in die Banken war massiv geschädigt, als die erste Kryptowährung geboren wurde. Im Oktober 2008 wurde ein Artikel mit dem Titel Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System von einer bis heute unbekannten Person unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto veröffentlicht. Der Inhalt versprach ein neues System, um Geld zu versenden, ohne auf Banken angewiesen zu sein: den Bitcoin.
Wir brauchen Banken, um sicherzustellen, dass bei Geldgeschäften alles mit rechten Dingen zugeht. Wir verlassen uns darauf, dass Banken das Vermögen auf unseren Konten sicher verwahren und bei Überweisungen der Betrag auch ordnungsgemäß den Besitzer wechselt. Wenn diese Banken allerdings kein tatsächliches Geld mehr besitzen und pleitegehen, wie es bei der Finanzkrise 2008 passierte, dann ist auch unser gesamtes dort gelagertes Erspartes weg. Daher wäre es von Vorteil, wenn wir Banken gar nicht benötigten und die Kontrolle über unser Geld selbst in die Hand nehmen. Genau das sollte der Bitcoin ermöglichen.
Die Blockchain
Alle gängigen Kryptowährungen sind auf die Blockchain-Technologie angewiesen. Sie ermöglicht es, dass Geldbeträge ehrlich und sicher zwischen Personen getauscht werden können, ohne dass dies von einer Bank überwacht und kontrolliert werden muss. Stattdessen sorgt ein Netzwerk an Computern dafür, dass genau aufgezeichnet wird, welche Überweisungen und Käufe zum Beispiel mit dem Bitcoin stattfinden. Diese Computernetzwerke sind dezentralisiert, das bedeutet es gibt keine Organisation, die dafür zuständig ist, die Währung zu kontrollieren, sondern das Netzwerk besteht aus den PCs von Tausenden Privatpersonen, die Programme laufen lassen, die Bitcoin-Zahlungen kontrollieren und sogenannten Blocks abspeichern. Diese Blocks werden aneinandergereiht, sodass eine Kette (Chain) entsteht, in der alle stattgefundenen Bitcoin-Überweisungen aufgelistet sind. Diese Kette nennt man Blockchain.
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Cryptomining
Ein weiteres Phänomen, das untrennbar mit Kryptowährungen verbunden ist, ist das sogenannte Cryptomining. Das Wort ist eine Kombination aus „crypto“ für „cryptocurrency“ – Englisch für Kryptowährung – und „gold mining“, also „nach Gold graben“, denn beim Cryptomining geht es darum, Bitcoin, Ethereum oder andere Kryptowährungen zu verdienen.
Da das Funktionieren der Blockchain darauf angewiesen ist, dass möglichst viele Menschen bereit sind, ihren PC in das Netzwerk der Blockchain einzuklinken, werden für jeden hinzugefügten Block Belohnungen in Form von Kryptowährung ausgeschüttet. Um einen Block hinzufügen zu können, muss von den Computern im Netzwerk eine Art Rätsel gelöst werden. Das Recht den Block hinzuzufügen, bekommt nur der- oder diejenige, deren PC die Lösung als erster findet. Als Belohnung gibt es 6,25 Bitcoins. Das entspricht laut aktuellem Kurs (Anfang Juni) etwa 170.000 Euro. Kein Wunder also, dass die Begeisterung für Cryptomining hoch ist.
Allerdings kann leider nicht jeder mit seinem PC nebenbei hunderttausende Euro verdienen. Da so viele Maschinen gleichzeitig versuchen, das Rätsel zu lösen, ist eine extrem hohe Rechenleistung notwendig, um Erster zu sein und die Belohnung zu bekommen. Daher gibt es Firmen, die mit riesigen Supercomputern Cryptomining betreiben. Als Privatperson kann man sich Mining-Pools anschließen. Dabei suchen unzählige online verbundene PCs gemeinsam nach der Lösung, um den nächsten Block an die Kette hängen zu können. Der Gewinn wird dann unter allen Teilnehmenden aufgeteilt. Mit einem gewöhnlichen Desktop-PC lassen sich so ein paar Euro pro Tag verdienen. Allerdings wächst dabei auch die Stromrechnung.
Die Sache mit der Energie
Die hohe Stromrechnung ist bei weitem nicht das einzige Problem am hohen Energiebedarf der Cryptominer. Laut New York Times wird heute, um einen einzigen Bitcoin zu minen, so viel Energie benötigt, wie ein gesamter Haushalt in 9 Jahren verbraucht. Pro Jahr wird weltweit für das Mining von Bitcoins mehr Strom benötigt, als in ganz Österreich verbraucht wird (ca. 60 TWh). Das hat natürlich zufolge, dass Kryptowährungen einen katastrophalen ökologischen Fußabdruck aufweisen. Solange unsere Energie nicht zu 100% aus CO2-neutralen Quellen stammt, können Kryptowährungen daher definitiv kein nachhaltiger Geldersatz sein.
Gefährliche Spekulationen
Nicht nur Computernerds haben großes Interesse an den digitalen Währungen. Auch an der Börse sind Bitcoin und Co. beliebt. Mit Glück kann man durch Investition in Bitcoins extrem schnell Geld verdienen. Doch genauso schnell kann man auch alles verlieren. Der Kurs aller großen Kryptowährungen ist enorm instabil. Immer wieder kommt es zu dramatischen Einbrüchen und es kann passieren, dass man am Morgen aufwacht und die am Abend erworbenen Bitcoins sind nur noch halb so viel wert, wie man dafür bezahlt hat. Das ist keine sinnvolle Geldanlage, sondern reines Glückspiel. Daher sind Kryptowährung natürlich alles andere als geeignet, um in naher Zukunft unsere herkömmlichen Währungen zu ersetzen.
Die fragwürdige Erfindung der NFTs
NFT steht für „Non-Fungible Token“. „Non-Fungible“ bedeutet in etwa „nicht austauschbar“ und Token bezeichnet in der Informatik eine Kette an Zeichen, also nichts anderes als aneinandergereihte Ziffern, Buchstaben und Sonderzeichen, die abhängig vom verwendeten Code ein bestimmte Bedeutung haben können. NFTs sind also keine Krytowährungen, denn anderes als jeder Bitcoin (ein Fungible Token) ist nicht jeder NFT gleich viel wert, sondern einmalig. Allerdings nutzen auch NFTs die Blockchain-Technologie, das heißt, wer einen bestimmten NFT besitzt wird in einem Block abgespeichert.
Aber ein NFT ist nicht nur eine bestimmte Folge an Zeichen, sondern jeder NFT repräsentiert etwas – das kann ein Kunstobjekt sein, wie z.B. ein Gemälde, Foto oder Musikstück. Würde ich einen Song schreiben, so könnte ich einen NFT verkaufen, der meinen Song repräsentiert. Allerdings bleiben alle Rechte über diesen Song bei mir, der Käufer des NFTs erhält nichts außer, den Eintrag in der Blockchain, dass er der Besitzer des NFTs zu meinem Song ist. Diese Tokens sind also so etwas wie digitale Sammelobjekte, nur dass man sie nicht anhören, ansehen oder im Wohnzimmer aufhängen kann. Sie bleiben immer nur eine Zeichenfolge in einer Blockchain. Viele hinterfragen den Sinn von NFTs – während Befürworter sie als moderne Möglichkeit zur finanziellen Unterstützung von Künstlern sehen, werden sie von anderen als Betrug der eigenen Fans kritisiert. Im letzten Jahr verkauften zahlreiche Prominente NFTs von Bildern, die sie als Affenkarikaturen zeigten – ein durchaus fragwürdiger Trend, der sich für die Verkäufer jedoch finanziell ordentlich lohnte.
Sind Kryptowährungen gescheitert?
Von der Idee eines quasi krisensicheren Währungssystem, das anstatt von großen international aktiven Banken von einem gigantischen Netzwerk an Computern kontrolliert wird, ist heute leider kaum etwas übrig. Noch keine Kryptowährung hat es geschafft einen stabilen Kurs lange genug zu halten, um als Geldanlage und Währungsalternative auch nur ansatzweise infrage zu kommen. Der Energiebedarf des Mining ist extrem problematisch und außerdem sind über die Blockchain abgewickelte Bezahlungen auch besonders für Kriminelle besonders reizvoll, da dort die Zahlungen eben nicht vom Staat überwacht werden können. Der Bitcoin wurde schon mehrmals totgesagt und doch hat er sich bisher immer erholt. In Summe schafft er und die von ihm inspirierten Alternative aber wohl mehr Probleme als Lösungen.
Quellen:
https://www.nerdwallet.com/article/investing/blockchain
https://www.nerdwallet.com/article/investing/cryptocurrency
https://www.wsj.com/articles/what-is-cryptocurrency-how-does-it-work-11638386626
https://www.bitpanda.com/academy/en/lessons/how-does-a-blockchain-work/
https://nakamotoinstitute.org/bitcoin/
https://onezero.medium.com/how-does-the-blockchain-work-98c8cd01d2ae
https://www.investopedia.com/tech/how-does-bitcoin-mining-work/
https://www.forbes.com/advisor/investing/cryptocurrency/proof-of-stake/
https://www.forbes.com/advisor/investing/cryptocurrency/bitcoins-energy-usage-explained/
https://www.nytimes.com/interactive/2021/09/03/climate/bitcoin-carbon-footprint-electricity.html
https://oesterreichsenergie.at/downloads/grafiken/detailseite/stromverbrauch-in-oesterrech-ab-1970
https://www.youtube.com/watch?v=bBC-nXj3Ng4&list=PL0DoTXdZ7pJiW-BYBx7FW5VWSEry1R_jC&index=5
https://www.youtube.com/watch?v=Helf3Ku8kho&list=PL0DoTXdZ7pJiW-BYBx7FW5VWSEry1R_jC&index=2
https://www.youtube.com/watch?v=cRxL2GKDU5E&list=PL0DoTXdZ7pJiW-BYBx7FW5VWSEry1R_jC&index=4
https://www.youtube.com/watch?v=yubzJw0uiE4&list=PL0DoTXdZ7pJiW-BYBx7FW5VWSEry1R_jC&index=1