Pretty Privilege
Erfolg durch Schönheit
Cornelia Plott (21) studiert MedienmanagementDem Kardashian-Klan rund um Kim, Kendall und Kylie wird ja oft vorgeworfen, keine Talente zu haben. Trotzdem scheffelt die Familie Millionen von Dollars und gibt dabei auch noch eine gute Figur ab. Und genau das ist der springende Punkt: Menschen, die der gängigen Schönheitsnorm entsprechen, sind tendenziell erfolgreicher und bekommen Möglichkeiten, von denen andere nur träumen können. Auf TikTok verraten jetzt Frauen, die konventionell schön sind, warum und wie sie von ihrer Schönheit profitieren.
In den Kommentaren unter Beiträgen von Social-Media-Stars lässt sich ein spezieller Vorwurf immer wieder finden: „Du bist doch nur so erfolgreich, weil du schön bist.“ Tatsächlich fragt man sich bei einigen TikTok-Videos, in denen merkwürdige Tänze nachgemacht werden, manchmal wirklich, wie denn so etwas mehrere Millionen Aufrufe erzielen kann. Die Antwort darauf ist jedoch schnell herbeigezaubert. Videos, die sehr viele Klicks aufweisen, beinhalten in den meisten Fällen Personen, die den gängigen Schönheitsstandards entsprechen. Seien das volle Lippen, voluminöse Haare samt trendigen Haarschnitt, ein unrealistischer Körper wie aus Photoshop oder Make-Up, das Mädchen vor Neid erblassen lässt. Obendrauf zeichnen sich die Protagonist*innen in den beliebten Videos oft dadurch aus, dass mit der Kleidung gespart wird. Viel Haut zu zeigen, ist ja irgendwie auch trendy. Jetzt melden sich diejenigen auf TikTok zu Wort, die genau in diese Schublade gesteckt werden und in manchen Fällen sogar unter dem sogenannten „Pretty Privilege“ leiden.
Der Begriff „Pretty Privilege“ beschreibt das Phänomen, dass Menschen, die dem Idealtypus von Schönheit entsprechen, bevorzugt behandelt werden. Dies geschieht bewusst oder unbewusst und lässt sich in jeglichen Lebenslagen vorfinden. Auch wenn Schönheit bekanntlich im Auge des Betrachters liegt, ist es doch überaus auffällig, wenn bei einem Bewerbungsgespräch der/die Schönere schlussendlich den Job bekommt oder in überfüllten Bars oftmals nur diejenigen angesprochen und auf Drinks eingeladen werden, die aufgrund des Aussehens alle Augen auf sich ziehen. Allein schon anhand dieser Beispiele wird ersichtlich, dass „Pretty Privilege“ auch in banalen Alltagssituationen vorkommt und nicht nur die glattgebügelte Welt der sozialen Medien betrifft. Wissenschaftler*innen fanden schon vor einigen Jahren heraus, dass schönen Menschen scheinbar die Welt gehört. Diesen Idealtypen wird mehr Verantwortung zugemutet und ein Vielfaches mehr an Vertrauen und Aufmerksamkeit geschenkt. Besonders in kundenorientierten Jobs spielt Schönheit eine große Rolle, schließlich trifft man in Bekleidungsgeschäften wie Zara oder Kosmetikläden wie Douglas stets auf jene Mitarbeiter*innen, die von der breiten Masse als standardisiert-hübsch angesehen werden. Diejenigen, die von der Gesellschaft nicht den Stempel „schön“ aufgedrückt bekommen, müssen für ihren Erfolg einen höheren Preis bezahlen.
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Für die Generation Z, die TikTok und Co. zu erobern scheint, ist „Pretty Privilege“ längst kein Fremdwort mehr. Tagtäglich sind Nutzer*innen von sozialen Medien mit bildschönen Menschen konfrontiert. Langsam sickert jedoch auch durch, dass diese Personen ihre Beiträge bis zum Geht-nicht-mehr bearbeiten, um genau von diesem Phänomen zu profitieren, denn schönes Aussehen ist automatisch ein Garant für mehr Klicks, Aufrufe, Kommentare und Likes. Ganz zu schweigen von den Werbedeals, die mit steigender Bekanntheit eintrudeln. Doch nicht alles, was glänzt, ist Gold. So beleuchtet ein TikTok-Trend die Schattenseiten des „Pretty Privilege“. Frauen und Mädchen, die dem gesellschaftlichen Verständnis von Schönheit entsprechen, profitieren nicht immer von deren Attraktivität. Auch wenn es in manchen Fällen ziemlich beneidenswert scheint, gratis Drinks, Produkte oder gar Konzertkarten zu bekommen und keine Gegenleistungen wie Werbung auf Social Media liefern zu müssen, zehrt dieses Privileg auch an den Nerven. Influencer*innen geben zu, dass sie bereits des Öfteren als Tussi oder Bitch abgestempelt wurden, nur weil sie den Schönheitsstandards entsprechen. Zudem kann sich das Dating schwerer gestalten und auch das Formen von echten und tiefen Freundschaften mit Frauen ist heikel, da viele von der Schönheit des Gegenübers eingeschüchtert sind. Viele Frauen betrachten sich gegenseitig noch immer als Konkurrentinnen und wollen die jeweils andere scheitern sehen.
Als Gegenbewegung zu beinahe unrealistischer Schönheit wird mittlerweile alles und jedem der Diversity-Stempel aufgedrückt. Plötzlich dürfen auch jene Frauen, die älter, kleiner oder korpulenter sind, unreine Haut oder außergewöhnliche Gesichtszüge haben, an Modelshows teilnehmen. Auch Unternehmen setzen vermehrt auf „Diversity“. Doch auch hier gilt: Diversity wird nur so lange gefeiert, bis sie eben nicht zu divers ist. Alte Menschen werden nur dann gezeigt, wenn sie noch eine glatte und straffe Haut haben. Unterschiedliche Hautfarben werden ebenso abgebildet, allerdings nur ausgewählte und nicht zu viele. Dasselbe gilt für Körperformen. Auch hier wird ersichtlich, dass selbst Diversität unter dem Deckmantel der Schönheitsideale versteckt wird. Und es ist höchste Zeit, diesen Mantel endlich abzuwerfen.