Rhythm and poetry
Rap, ein Musikstil wie jeder anderer?
Reka Seitz (22) studiert Rechtswissenschaften in WienGerade in den letzten Jahren hat es Rapmusik immer mehr in den Mainstream geschafft. Features mit der amerikanischen Rapperin Nicki Minaj (z.B. David Guetta feat. Nicki Minaj, Bebe Rexha, Afrojack – „Hey Mama“, 2015) schaffen es ebenso ins Radio wie Tracks von Eminem (z.B. Eminem feat. Rihanna – The Monster, 2013). Auch deutscher Rap wird immer beliebter, ob Rap-Urgesteine wie Samy Deluxe und Sido oder vergleichbar junge Rapper*innen wie Badmómzjay – immer wieder landet deutscher Rap in den Charts. Aber woher kommt Rap eigentlich? Und was unterscheidet ihn möglicherweise von anderen Musikstilen?
Bedeutung
Immer wieder wird angenommen, Rap stünde für „Rhythm and Poetry“. Tatsächlich leitet sich das Wort wohl von „to rap“ ab, was so viel wie „plaudern“ bedeutet. Das Akronym „Rhythm and Poetry“ entstand erst später, beschreibt aber gut, was Rap ist: Sprechgesang, der sich einerseits aus einem Rhythmus – der von einem Beat vorgegeben wird – und auf der anderen Seite einem gereimten Text zusammensetzt, wobei Letzterer zumeist von Stilmitteln nur so strotzt. Werden oftmals auch Slangwörter und vulgäre Ausdrücke genutzt, so kommen dennoch Vergleiche und Wortspiele aller Art vor.
Geschichte
Wer eine einzige Quelle für Rap sucht, wie wir ihn heute kennen, wird rasch erkennen, dass es nicht eine einzige Wurzel gibt. So verortet etwa der britische Musiker und Journalist David Toop die Wurzeln des Rap in Westafrika. Die Griots, eine Art Berufssänger, seien somit die Ahnen des heutigen Rap. Der Blues-Musiker und Musikhistoriker Elijah Wald macht das afroamerikanische Schmähgedicht, auch Signifyin‘ oder The Dozens genannt, als Ursprung aus. Diese Verse wurden in einer Art Wettbewerb vorgetragen, bei dem diejenige Person gewann, die den besseren Reim bieten konnte. Darin kann eine Parallele zu heutigen Rap-Battles gesehen werden, bei denen sich zumeist zwei Rapper*innen vor einem Publikum gegenüberstehen und einander „dissen“. Auch die Worksongs der aus Afrika nach Amerika verschleppten Sklav*innen dürften eine der Quellen sein, aus denen Rap entstanden ist: Auf den Feldern – vor allem im Süden der USA – sangen sie diese Worksongs, wobei es eine Abwechslung zwischen gesungenen und gesprochenen Passagen gab. Generell ist wohl kaum zu bestreiten, dass Schwarze Menschen Rap massiv geprägt, wenn nicht sogar erschaffen haben. So wird auch die New Yorker Bronx als Ursprungsort des Rap genannt, ein Stadtviertel, das von Multikulturalismus geprägt ist.
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Die unterschiedlichen Richtungen der Rapmusik
Über die Zeit haben sich viele verschiedene Stile im Rap herausgebildet, die auch auf unterschiedliche Arten von Beats, lyrischen Stilelemente und Themen zurückgreifen. Gerade Trap hat sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht, aber auch Gangsta-Rap war immer wieder – auch mit Skandalen – in den Schlagzeilen. Alle Stile des Rap aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Eine besondere Erwähnung verdient aber wohl der Battlerap, da er auch mit den Ursprüngen des Rap selbst eng verbunden ist. Ursprünglich traten dabei zwei MCs (also zwei Rapper*innen) umgeben von einer Menschenmenge, der sogenannten Crowd, gegeneinander an. Sie müssen dabei freestyle oder vorbereitet, mit Beat oder a cappella ihr Gegenüber in Reimform dissen, also verspotten. Es sind kreative Verse gefragt, um die Gunst der Crowd zu gewinnen. Dabei galt – und gilt – es als ungeschriebene Regel, dass lediglich mit Worten gekämpft wird und die dabei gefallenen Rhymes sportlich genommen werden. Jene*r MC, der von der Crowd den größeren Zuspruch in Form bekommt, gewinnt (in der Regel) das Battle. Auch in Raptracks lassen sich Battlerap-Elemente finden: Immer wieder gibt es entweder einzelne Disses (kleine Sticheleien) gegen andere Rapper*innen oder ganze Disstracks, die einzig und allein die Aufgabe haben, sich gegen eine*n andere*n Rapper*in zu richten – so wie etwa Nicki Minaj, Drake, Lil Wayne – No Frauds (richtet sich gegen die US-Rapperin Remy Ma) oder PA Sports – Guilty 400 (richtet sich gegen den Deutschrapper KC Rebell).
Themen
Während es im Rap immer wieder auch um Reichtum, ein aktives Liebesleben oder – im Gangsta-Rap – um Drogen und Waffen geht, ist dieses Musikgenre gleichzeitig so viel mehr. Rap fällt immer wieder durch seine starke Lyrik auf, sowohl anhand der Qualität der Reime – etwa, indem sie etliche Silben aufweisen – oder durch einen vielseitigen und häufigen Einsatz von Stilmitteln wie Vergleichen oder Wortspielen. Vielseitig sind auch die Themen, die von den Künstler*innen behandelt werden. Da Rap anfangs vor allem in Vierteln mit einem hohen Anteil Schwarzer Menschen in den USA vorkam und diese Bevölkerungsgruppe bekanntlich damals, wie heute traumatische Erfahrungen mit rassistischer Polizeigewalt machen musste, war diese oftmals Thema früherer wie auch heutiger Rap-Tracks. Bekannt wurde etwa „Straight Outta Compton“ (N.W.A., 1988) oder „Sound of Da Police“ (KRS-One, 1993). Im deutschsprachigen Raum schlug Samy Deluxe mit „Weck mich auf“ (2001) ebenso einen gesellschaftskritischen Weg ein, indem er unter anderem Rassismus und Fremdenhass anprangerte. Wer es moderner möchte, kann Alligatoah hören: etwa „Mein Gott hat den längsten“ (2008) „Lass liegen“ (2015) oder „Du bist schön“ (2016).
Homo- und frauenfeindlich – berechtigte Kritik oder Problem einiger weniger?
Die Rap- und Hip-Hop-Szene allgemein steht immer wieder in der Kritik: Gewalt werde verharmlost oder gar verherrlicht, Frauen und LGBTQ+-Personen diskriminiert und objektifiziert. Die einen sehen die Texte als eine Übertreibung und Überzeichnung und damit als reine Kunst an, andere sehen die Gefahr, dass jene Taten, die in Texten und Musikvideos glorifiziert werden, realisiert werden könnten. Klar ist: Ein großer Aufschrei wie #MeToo war in der Rapszene bisher noch nicht verzeichnen – schon gar nicht in der deutschen. Zwar gab es 2018 einen Skandal rund um die Verleihung des „Echos“ an die Rapper Farid Bang und Kollegah, wegen einer Zeile, in der sie einen Vergleich mit Auschwitzinsassen ziehen, der schlussendlich sogar zur Streichung dieses Musikpreises führte – große Veränderungen bleiben jedoch aus.
Nichtsdestotrotz muss eines erkannt werden: Auch Frauen haben Rap und Hip-Hop generell mitgeprägt und sie erobern sich langsam ihren Platz zurück. Während in den USA Rapperinnen wie Nicki Minaj, Cardi B, Missy Elliott oder Megan Thee Stallion teilweise schon auf jahrelangen Erfolg zurückblicken können, treten auch in der deutschen Rapszene immer mehr Frauen auf. Waren es zuerst etwa Rapperinnen wie Kitty Kat und SXTN (das Rapperinnenduo, bestehend aus Juju und Nura trennte sich 2018), sind es heute Rapperinnen wie Badmómzjay, Juju, Nura, Loredana, Shirin David, Schwesta Ewa oder Katja Krasavice, die den deutschen Rap aufmischen. Kann man an einigen von ihnen auch kritisieren, dass sie etwa ihre Texte nicht selbst schreiben oder dass sie etwa Tiere quälten, indem sie gefärbte Hasen oder exotische Tiere in ihren Musikvideos zeigen, ist ihr Erfolg nicht zu leugnen – zumal etliche dieser Kritikpunkte auch für männliche Rapper gelten (müssen).
Ein Ausblick
Über Rap lassen sich unzählige Bücher schreiben. Bei genauer Betrachtung zeigt sich eine äußerst diverse Szene. Gesellschaftliche Probleme werden genauer unter die Lupe genommen, manche sind verstärkt in bestimmten Rapsubgenres zu beobachten. Nichtsdestotrotz ist Rap – wie andere Musikrichtungen auch – reichhaltig und vielfältig. Zusätzlich kann Rap und Hip-Hop im Allgemeinen auf eine bewegte Geschichte zurückblicken und mit einer nicht minder aufregenden Zukunft rechnen.
Quellen:
https://www.youtube.com/watch?v=uO59tfQ2TbA
https://www.youtube.com/watch?v=0HDdjwpPM3Y
https://www.offiziellecharts.de/suche?artist_search=badmomzjay&do_search=do
https://www.fluter.de/wie-entstand-eigentlich-der-raphttps://news.harvard.edu/gazette/story/2020/07/hiphops-long-history-of-exposing-police-brutality/