Was Schifahren mit der Umwelt macht
Merlin Mayer (22) studiert BiologieJeden Winter, wenn der erste Schnee fällt, steigt bei mir die Vorfreude aufs Schifahren. Als gelernter Österreicher gibt es wenig, was mir mehr Spaß macht als auf meinen zwei Brettern die Pisten unsicher zu machen. Jedoch kamen in den letzten Jahren Zweifel in mir hoch, ob sich hinter meinem geliebten Hobby eigentlich eine heimtückische Klima- und Umweltsünde verbirgt, angesichts der Umweltschäden, die das Schifahren angeblich verursacht. Ich beschloss, mich näher mit dem Thema zu beschäftigen und kam zu überraschenden Ergebnissen.
Es waren Bilder von den Olympischen Spielen in China im Februar, die mir das Umweltproblem des Schifahrens erst vor kurzem wieder vor Augen führte. Weiße Bänder ziehen sich durch die kargen, trockenen Hügel in der Nähe von Peking. Naturschnee gibt es dort nur selten, trotzdem wurden an dem Ort olympische Schirennen ausgetragen – auf Kunstschnee natürlich. Wir kennen ähnliche Bilder aus Österreich.
© WWF, honorarfrei, Zum Original
Dieses Foto stammt aus Kitzbühel im Oktober 2019. Bei 15°C, lange bevor hier von Natur aus Schifahren möglich wäre, wird eine Piste gebaut. Was macht das mit der Umwelt?
Schwere Vorwürfe von Umweltorganisationen
Der WWF schreibt auf seiner Website, Schigebiete seien eine Katastrophe für die Umwelt, deren Folgen nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch uns Menschen bedrohen würden. Das Bauen von Schipisten erhöhe das Risiko für Hangrutschungen und Lawinen. Künstliche Beschneiung sei ein Wasser- und Energiefresser und würde den vom Kunstschnee bedeckten Pflanzen schaden, Wildtiere würden von Schifahrern vor allem abseits der Pisten in ihrer Winterruhe gestört, was zum Erschöpfungstod führen könnte und außerdem sei Schifahren ein „Desaster für unser Klima“. All diese Vorwürfe entspringen einem wahren Kern, dennoch lohnt sich ein kritischer Blick auf die Thematik.
Klimakiller Schifahren?
Der Betrieb eines Schigebiets benötigt eine Menge Energie. Sind Schneekanonen, Liftanlagen und Pistenraupen echte Klimakiller? Das Umweltbundesamt, die größte Expertenorganisation in Sachen Umwelt in Österreich, hat 2018 eine Studie zur Treibhausbilanz verschiedener Urlaubstypen veröffentlicht – im Auftrag der Österreichischen Seilbahnen.
Laut Umweltbundesamt verursacht ein Schiurlaub in Österreich mit dem Auto 33 kg CO2 pro Person und Tag. Das ist in etwa gleich viel, wie beim Sommerurlaub in Österreich, aber sogar um einiges weniger als beim Sommerurlaub in Italien[1]. Verschwindend gering erscheinen die Emissionen, wenn man sie mit einer Flugreise nach Spanien oder auf die Malediven vergleicht. Wenn ihr im Urlaub CO2 sparen wollt, solltet ihr daher auf jeden Fall auf Flüge verzichten!
Bei einem genaueren Blick auf die Zahlen sieht man, dass die Hälfte des Balkens für Schiurlaub in Österreich rot ist, also durch die Anreise mit dem Auto (PKW) verursacht wird. Man kann die Klimabelastung im Schiurlaub dadurch um mehr als ein Drittel reduzieren, indem man mit dem Zug anreist. Das ist natürlich nur möglich, wenn man ein Schigebiet auswählt, das mit Bahn und Bus bequem erreichbar ist.
Insgesamt legen diese Daten den Schluss nahe, dass Schifahren in Österreich für das Klima keine ungewöhnlich hohe Belastung ist. Das liegt zum Teil daran, dass die Energie, die für den Betrieb von Schigebieten notwendig ist, zum größten Teil mit Strom gedeckt wird, der durch Wasserkraft gewonnen wurde. Dabei werden keine CO2-Emissionen verursacht, was sich positiv auf die Klimabilanz auswirkt. Trotzdem kommt es beim Schifahren zu zusätzlichen Treibhausgasen, auch wenn sie verglichen mit einer Flugreise gering sind. Allerdings sind Treibhausgase nicht der einzige Umweltfaktor, der beim Schifahren beachtet werden sollte.
[1] Sommerurlaub in Italien verursacht in dieser Studie unter anderem, deshalb einen höheren CO2-Ausstoß, weil Aktivitäten wie Jetski- und Wasserschifahren miteinberechnet wurden.
Beschneiung kann zu Wasserknappheit führen
Kunstschnee wird aus Wasser gemacht und dieses Wasser muss irgendwo entnommen werden. In den Anfangsjahren der Beschneiung, wurde es häufig aus dem nächstbesten Gebirgsbach ausgeleitet, was drastische Folgen für die darin lebenden Organismen haben kann. Bäche sind sehr empfindliche Ökosysteme, deren Bewohner speziell an die dort herrschenden Bedingungen angepasst sind. Wenn das Wasser ausbleibt, haben sie keine Überlebenschance. Dieses Problem wird jedoch mehr und mehr umgangen, indem Speicherseen angelegt werden, wo das ganze Jahr über Wasser für die Beschneiung gesammelt wird. Das ist schonender für die Umwelt, sagt Ulrike Pröbstl-Haider, Professorin an der BOKU in Wien, im Interview mit Deutschlandfunk: „Das Wasser bleibt auch in dem Einzugsgebiet und versickert dann da. Also es ist weder verbraucht noch weg.“ Sämtliche chemische Zusatzstoffe in Kunstschnee sind in der EU verboten und daher auch kein Problem für die Umwelt.
Wie Schifahrer Wildtieren schaden
Schigebiete liegen mitten im Lebensraum von Tierarten wie Rothirschen, Steinböcke, Gämsen, Murmeltieren oder Birkhuhn und Alpenschneehuhn. Durch Schigebiete werden ihre Lebensräume regelrecht durchschnitten und der von Schneekanonen verursachte Lärm kann Stress hervorrufen. Allerdings sind laut Expertin Ulrike Pröbstl-Haider Schitourengeher und Schifahrer abseits der markierten Pisten eine noch größere Gefahr für die Wildtiere: „Die Natur hat sich an diese Konzentration ganz vieler Menschen auf kleiner Fläche ganz gut angepasst. Die Wildtiere kennen diese Störungsbänder.“ Wer jedoch die markierten Pisten verlässt dringt direkt in die Lebensräume der Tiere ein. „Das ist etwas an das sich kein Wildtier je gewöhnen können wird“, so Pröbstl-Haider.
Die Expertin ist aber auch überzeugt, dass wir keine neuen Schigebiete in den Alpen brauchen. Jeder neue Lift und jede neue Piste zerstören ein Stück Natur, das ist unumstritten. Trotzdem ist im Moment der Bau von 83 neuen Schiliften in Österreich geplant.
Fazit
Schifahren ist nicht gut für die Umwelt. Jedoch können leider nur sehr wenige Urlaubstypen als wirklich umweltfreundlich gelten und ein Schiurlaub ist nicht die ökologische Katastrophe, als die er häufig dargestellt wird. Die CO2-Emissionen sind deutlich geringer als angenommen und können durch den Verzicht aufs Auto weiter reduziert werden. Grundsätzlich ist es besser einen längeren Schiurlaub zu unternehmen als mehrere Tagesausflüge – dadurch wird die Belastung durch die Anreise stark verringert. Die Umweltschäden durch die künstliche Beschneiung scheinen heutzutage sehr niedrig zu sein. Um Wildtiere zu schonen ist es wichtig, auf den markierten Pisten zu bleiben, um sie nicht in ihrem natürlichen Lebensraum zu überraschen.
Um im Urlaub Treibhausgase einzusparen, solltet ihr auf jeden Fall auf das Flugzeug verzichten. Wer mit der Bahn verreist, ist am umweltfreundlichsten unterwegs. Bei jeder Aktivität in der Natur sollte stets darauf geachtet werden, achtsam zu sein. Das bedeutet, keinen Müll zurückzulassen und Tiere und Pflanzen in Ruhe zu lassen. Wen ihr diese Punkte beachtet, könnt ihr auch im nächsten Winter mit gutem Gewissen die Schier anschnallen.
Quellen:
https://www.skiresort.at/lifte-bahnen/in-planung/oesterreich/
https://news.wko.at/news/oesterreich/fv_seilbahnen_boku_studie_skigebiete.pdf
https://www.derstandard.at/story/2000113981207/umweltschonend-skifahren-geht-das-ueberhaupt
https://www.derstandard.at/story/2929187/die-kunst-ohne-schnee-auszukommen
https://www.umweltbundesamt.at/aktuelles/presse/news2018/news20181213
https://www.faz.net/aktuell/reise/klimawandel-hat-der-wintersport-noch-eine-zukunft-16534026.html